Was ist ein Vexierbild?

Martin Mißfeldt 2019, Öl auf Leinwand, 70 x 100 cm
Ein Vexierbild ist ein mehrdeutiges Bild. Es lässt verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zu. Vexierbilder werden auch als "Suchbilder" oder "Rätselbilder" bezeichnet. Der Begriff ist relativ alt und wurde schon im Mittelalter benutzt. Die Gebrüder Grimm beschreiben in ihrem Wörterbuch das Vexierbild als ein „bild mit einem in der zeichnung verborgenen betrug, scherz“.
Franz Kafka wies 1911 in seinem Tagebuch darauf hin, dass ein Vexierbild häufig eine versteckte Botschaft enthalte, die nur von dem endeckt werden kann, der davon weiß: "Das Versteckte in einem Vexierbild sei deutlich und unsichtbar. Deutlich für den der gefunden hat, wonach zu schauen er aufgefordert war, unsichtbar für den, der gar nicht weiß, dass es etwas zu Suchen gilt."
Vexierbilder lassen sich in mehrere Gruppen einteilen:
- Drehbilder
- "Detail vs. Ganzes" Vexierbilder
- Kippbilder, die optisch uneindeutig sind
Sehr häufig spielt bei Vexierbildern die Größe der Darstellung eine wichtige Rolle.
Drehbilder
Der italienische Maler Guiseppe Arcimboldo hat bereits im 16. Jahrhundert eine Reihe von Gemälden gemalt, die weltberühmt wurden. Diese sog. Drehbilder lassen sich auf den Kopf drehen - und zeigen dann ein gänzlich anderes Motiv. Das folgende Beispiel zeigt einen Gemüsetopf - ein mehr oder weniger klassisches Stillleben. Wenn man es aber umdreht, erkennt man einen - zugegeben etwas ungewöhnlichen - Gemüsehändler:

Basierend auf diesem Prinzip wurden im Laufe der Jahrhunderte viele vergleichebare Bilder entwickelt, die jeweils wie zwei Seiten einer Medaille funktionieren, zum Beispiel: das junge (hübsche) Mädchen und der alte (sorgengeplagte) Vater:

Von diesem Bild habe ich auch eine Version als Ölbild gemalt:

100 x 70 cm, Öl auf Leinwand, 20.12.2019
Das folgende Drehbild zeigt einen "Pinguin mit Pfeife" ...

Wenn man das Bild um 180° dreht, dann erkennt man einen sympathischen Comic-Puma.
Detail vs. Ganzes - weitere Vexierbilder
Bei der zweite Gruppe der Vexierbilder spielt die Auflösung des Bildes ein große Rolle: Sieht man es von nahem bzw. in groß, dann springen die Details ins Auge. Das Bild entfaltet so eine eigene Stimmung. TRitt man jedoch zurück bzw sieht das Bild nur in klein, dann sind die Details nicht mehr erkennbar, sondern bilden die Flächen eines großen, übergeordneten Motivs.
Das folgende Bild stammt von dem mexikanischen Künstler Octavio Ocampo (geb. 1943), der eine ganze Reihe sehr beliebter mehrdeutiger Bilder gemalt hat.

Wenn man sich auf die Details konzentriert, erkennt man links - vor einem weißen Vorhang - eine mexikanische Frau, die eine Art Bienenstock auf dem Kopf balaciert. Neben ihren Füßen steht eine Glasflasche. Rechts singt ein gitarrespielender Mann mit mexikanischem Hut ein fröhliches Lied. Aus einem weißen Gebäude tritt eine Frau ins Freie. Das ganze wirkt wie ein verliebtes Stell-dich-ein eines jungen Paares.
Tritt man jedoch zurück, dann setzen sich die Details bzw. die Farben und Hell-Dunkel-Werte zu einem neuen Motiv zusammen: zwei alte Menschen, die sich anschauen. Die helle gelbe Farbfläche lässt sich nicht nur als Lichtquelle, sondern auch als Sanduhr lesen: der Lauf der Zeit. Das Bild zeigt also zwei Zustände aus dem Leben dieses Paares.
Mehrdeutige Landschaftsbilder

(alte oder junge Leute?)
Vor allem im 17. Jahrhundert standen solche Bilder hoch im Kurs. Der böhmischen Zeichner Wenzel Hollar (1607 - 1677) war ungeheuer produktiv und ein Meister seines Fachs. Von ihm stammt auch das folgende Vexierbild. Je weiter man zurücktritt, um so mehr wird aus der Landschaftsszene mit einer felsenartigen Landzunge (siehe unten) ein liegender Kopf (rechts):

Bitte Anklicken, um die große Version zu sehen - in der verschwindet der Kopf und man sieht nur noch die Landschaft.
Auch das zuletzt im Internet sehr oft geteilte Bild "Marilyn Monroe oder Albert Einstein?" basiert auf diesem Prinzip.

Je größer die Darstellung, um so mehr fallen die Detail-Linien ins Auge - und die zeigen Albert Einstein. Je kleiner das Bild, um so mehr dominieren die Hell-Dunkel-Werte - und die zeigen Marilyn Monroe.
Kippbilder
Kippbilder sind ebenfalls Bilder, die sich auf zwei oder mehr Arten interpretieren lassen. Das zuerst gesehene bleibt meist dominant - und wenn man es nicht weiß, sucht man das andere gar nicht. Welches Motiv zuerst wahrgenommen wird, ist individuell verschieden und lässt sich kaum berechnen.
Das Prinzip wird an dem folgenden Bild sehr deutlich: Sieht man zuerst eine Vase (innere Form) oder zwei Gesichter (äußere Formen):

Am bekanntesten ist "die alte oder junge Frau".

Wer noch nicht beide sieht, hier ein "Auflösungsvideo":
Kippbilder sind optisch nicht eindeutig. Das Ganze lässt sich auch an viel schlichteren Bildern zeigen. Der sog. Neckarwürfel zeigt einen parallelperspektiv gezeichneten Würfel - allerdings lässt sich nicht sagen, ob er von schräg oben oder schräg unten dargestellt ist:

Die folgende Grafik veranschaulicht die beiden möglichen Sichtweisen:

Kippbild mit Mauer: Was ist hier zu erkennen?
Seit einiger Zeit kursiert mal wieder eine interessante optische Täuschung im Netz. Dabei handelt es sich zunächst um ein recht profanes Bild, dass die Schrägansicht einer sich verjüngenden Mauer zeigt. Auf den ersten Blick sehen die meisten erst mal nichts weiter als gemauerte Ziegelsteine. Aber: es handelt sich um eine optische Illusion. Können Sie das Motiv erkennen?

Versuchen Sie erst einmal, zu erkennen, was noch auf dem Bild zu sehen ist?
Wenn sich die Mauer erst einmal im visuellen Gedächtnis verankert hat, ist es äußerst schwierig, die Zigarre zu erkennen. Wenn Ihnen das auch schwerfällt: hier die Auflösung:

Quellen / Weiterlesen
- Optische Illusion mit Mauer (inkl. Lösung)
- Mehr zum Thema Kippbilder bei Brillen-Sehhilfen.de
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